Notiz_32 - Nichts vom Guten



Es ist seltsam. Ich kenne diese Wände, diese Möbel, diese Bücher. Trotzdem sind sie mir Fremd. Ich gehe gewohnte Wege, doch wo Türen waren steht nichts als weiße Wand. Ich blicke aus der schmutzige Fensterscheibe. Vera spielt mit einem violetten Luftballon, der unwahrscheinlich stark leuchtet vor dem verblassten Hintergrund. Vera tippt auf dem Luftballon mit geschickten Handbewegungen, der Luftballon hebt sich, bleibt einen Augenblick unsicher in die Luft stehen, fällt langsam wieder bis Vera wieder auf seine Unterseite tippt. Ich trete aus der Balkontür, statt der gewohnten Holzbalken trifft mein Fuß auf den Zement eines Daches. Veras Gesicht erhellt sich, als sie mich sieht. Der violette Luftballon ist verschwunden.
            Hast du alles geholt?
            Ja.
            Es ist nichts geblieben?
            Nichts vom Guten.
Vera scheint zufrieden.
            Dann lass uns gehen.
            Wohin?
Vera überlegt.
Ich frage mich, wie viel Aufwand braucht es, einen Menschen zu verstehen, und zwar, ob der größte Aufwand tatsächlich das Verstehen ist, oder ob die Schwierigkeit eher darin liegt, das Bild des anderen in dem eigenen Blickfeld einzuführen. Ich weiß es wirklich nicht.
Vera lächelt.
            Komm.
Der violette Luftballon erscheint wieder. Vera braucht diesmal nicht auf ihn zu tippen. Der Luftballon schwebt selbständig in der Luft, hebt sich und fällt und bleibt zwei Schritte vor uns stehen. Er scheint ungeduldig, als würde er auf uns warten.