Notiz_26
Ich wurde um vier Uhr dreißig von einem Faustschlag an der Brust
geweckt, ganz aufgewacht bin ich wegen meiner Durst. Es gab kein Wasser im
Zimmer, ich musste die Treppen herunterlaufen bis zum Keller um eine Flasche zu
finden. Danach legte ich mich wieder hin. Vera saß auf dem Boden, ihr Rücken an
den Heizkörper angelehnt. Ihre weit geöffneten Augen leuchteten im Dunkeln. Die
Fernlichter der Autos auf der Straße schienen manchmal durch das Fenster, das
Zimmer wurde hell dann, Veras Gesicht dunkler, nur die Augen leuchteten
unbeirrt weiter. Sie flüsterte. Etwas mit Tulpen. Meine Augenlider fielen
langsam zu. Nach einer Weile wurde mir bewusst, dass ich nicht einschlafen
konnte. Ich stand auf und ging ins Bad. Als ich zurückkam, war Vera
verschwunden. Ich schließ die Augen. Etwas mit Tulpen.
Selbstverpflichtung.
Ein plötzlicher Regenschauer durchbricht den warmen Tag. Im Wohnzimmer wird das
Licht weich und grau. Donnerlärm. Spanische Inseln schwimmen Richtung Afrika.
Wanderurlaub. Zehn Tage. Wozu die Zeit, wozu das Nachdenken, worüber überhaupt.
Dramatischer als gewollt, als unbedingt notwendig. Alles herunterschlucken, bis
du dich übergeben musst. Diätänderung als Möglichkeit einer zivilisierten
Diskussionskultur. Verwirrung. Das schmerzliche Bedürfnis, dich in dich selbst
zu verkriechen. Das Waschen des gesamten Schrankinhalts. Das Rauchen wird auf
den Balkon versetzt. Falls es je aufhören soll, zu regnen. Du wolltest nicht, doch
du musst. Du wolltest. Müdigkeit. Es vergehen drei Monate. Etwas muss
geschehen, gleichzeitig soll nichts geschehen, du wolltest, doch du musst.
Eines Tages wird das Wasser die Schwelle deines Balkons erreichen und du wirst
bereuen, nie das Schwimmen gelernt zu haben. Desassossego, Inquietudine,
Unruhe. Eines Tages wirst du eine Sprache wählen müssen und du wirst bereuen,
nur die drei oder vier zu kennen. Der Regen hat aufgehört. Drei Monate sind
vergangen. In welcher Sprache liebst du. Aus welcher Wohnung stammen die
Blitze. Geh dich waschen im Regen der Städte, bis deine Kinderhaut zur Pfütze
an deinen Füßen wird. Verbrannt vom Regen wirst du zurückkommen, wo keiner dich
jemals kannte, deine graugewordenen Augen werden dunkel leuchten im Licht.
Unzählige Tulpen werden sich vor dir erheben und bei jeder Berührung werden sie
ihre Farben wechseln, bis du ganz schwarz wirst vor Freude. Geh die Welt
anschauen, bis du dich selbst findest. Warmer Schlamm. Reue. Hättest du nicht,
dann vielleicht. Du wolltest. Du musst. Hineingeredet, wie in einen leeren
Fass. Wanderer im Dunstmeer der Küche, Gestank. Dein Bild auf lila Hintergrund.
Kleinigkeit. Deine Kleinigkeit. Eines Tages wirst du bereuen. Schau zu, wie du verschwindest.
Wenn das Nichts deinen Platz angenommen haben wird, wirst du sein, wo du
hingehörst. Es hilft nichts. Es hilft nicht. Es hilft. Du wolltest. Vorwürfe.
Schweigen. Schweigen. Schweigen. Warum schweigst du. Du hast wohl nichts zu
sagen. Du wirst durch deine Taten. Schweigen ist auch eine Tat. Demnach bist du
nichts. Eines Tages wird das alles von dir fern sein, deine Bücher in Kartons
eingepackt, vergessen in den Zimmern, die du zufällig bewohnt hast. Achtzehn
blaue Tulpen. Schlaf.
Ich wache früh auf in letzter Zeit, dafür schlafe ich besser.