- SZ - Erinnerungen an Moria_4 - Minotauros



Links, rechts, dann wieder rechts, dann links, links, links,
Durch die engen Gänge, wo das Licht nicht durchdringt,
Licht ist ohnehin nur ein Begriff, eine Erinnerung, die
Im Rhythmus meiner Schritte verblasst, ich habe gelernt,
Ohne Licht zu sehen, da kein Unterschied zwischen dem
Gelegentlichen Öffnen und Schließen der Augen ist, das
Blinzeln ist ein altmodischer Reflex, Gewohnheit aus
Einer anderen Zeit, auf das Sehen kommt es schon länger
Nicht an, der Anblick meines Feindes wäre mir nutzlos
Im Kampf, der Schrecken würde meine Glieder lähmen
Vielleicht und bis dahin brauche ich auch nicht zu sehen,
Denn der Weg zu meinem Feind finde ich nur, wenn ich
Verloren bin. Links, links, dann rechts, an der Kreuzung
Geradeaus, mich vortastend durch Wellblechwände und
Plastikplanen, meine Haut übernimmt die Orientierung
In der Dunkelheit, der Geruchssinn ist eingestellt, am
Anfang, wann, wie lange gehe ich schon erst nach links,
Dann rechts, zur Abwechslung dann nach rechts, links,
Ließ mich der Gestank noch taumeln, bis ich begriff,
Der Gestank kommt mir zur Hilfe, weist meinen Körper
Auf die richtige Gangart hin. Meine Füße versinken im
Schlamm, ich höre sie nicht und brauche sie nicht zu hören,
So wie ich meinen hechelnden Atem nicht mehr höre, die
Geräusche meines Fortschreitens vermengen sich
Mit den Geräuschen des Kampffelds, das Zerbrechen
Einer Flasche im Gang links, ein Schrei von rechts,
Ein Kindeslachen hinter mir, Weinen, Heulen, Fetzen
Von Reden in Sprachen, die ich nicht verstehe, am
Anfang, obwohl ich die Zeit zwischen meinem Eintritt
Ins Labyrinth und dem Jetzt nicht messen könnte, so
Wie ich die zwischen Jetzt und dem Ende der Suche,
Das den Anfang des Kampfes ankündigen wird, nicht
Kenne, verfolgte ich die Geräusche noch, einzige
Bezugspunkte in der Finsternis, bis ich begriff,
Die Geräusche sind nicht Geräusche sondern
Erinnerungen an Geräusche, hervorgerufen durch
Die ohrenbetäubende Stille des Ortes, selbst das
Versinken meiner Füße in den schlammigen Boden
Und die Atemzüge meines Laufes sind bloß Echo
Der Schritte und Atemzüge, die ich vor der Zeit
Im Labyrinth betätigte, hier ist nichts außer Stille.
So gehe ich, taub und blind, nach rechts, nach links,
An der Kreuzung geradeaus oder rechts oder links,
Die Richtung ist gleichgültig, ich könnte genauso gut
Stehenbleiben, mein Feind wartet auf mich so wie ich
Auf meinen Feind warte, das zunehmend schneller
Werdende Laufen, eine unaufhaltbare und unendliche
Beschleunigung, da meine Muskeln vom Laufen bestärkt
Werden im selben Maße als sie von Müdigkeit überfallen,
Ist nur Zeitvertreib und Vorbereitung zum Kampf, ich
Nehme an, mein Feind tut dasselbe, taub und blind läuft
Er durch die engen Gänge, mit zunehmender Ungeduld,
Mich zu treffen, wobei im selben Maße seine Angst wächst,
So wie meine Angst wächst vor dem Kampf, der alles enden
Wird, die Suche und das Laufen und dieses Ort überhaupt,
Worin ich mich seit wer weiß wann bewege und mit dem
Ich schon verwachsen bin, meine unzähligen Hände sind
Die Metalldrähte der Zäune, meine Beine sind Holzbalken,
Meine Haut Plastikplanen, meine Knochen Wellblechwände,
Meine Nahrung und Ausscheidung der Schlamm unter meinen
Füßen, die selbst schon Schlamm geworden oder zumindest
Von ihm ununterscheidbar sind, aber ich bin kein Romantiker,
Ich sehne mich nach dem Kampf so wie mein Feind sich danach
Sehnt, die Angst gehört dazu, so wie das Lampenfieber dem
Schauspiel, VORFREUDE IST DIE SCHÖNSTE FREUDE,
Endlich ins Licht blicken vor den Augen der Welt, ich kenne
Meinen Part, ich hatte Zeit zu üben. Um die Suche zu verkürzen
Oder zu strecken stelle ich mir jede Bewegung des künftigen
Kampfes vor, jeden BLICK GRIFF SCHRITT meinerseits so
Wie jeden BLICK GRIFF SCHRITT meines Feindes, wie ein
Schachspieler neben einer gebrochenen Uhr, bis die Angriffe
Und Verteidigungen meinerseits und die meines Feindes
Ineinander verschmelzen in einer einzigen Partie, Schachbrett
Und Figuren vergilben bis zur Unkenntlichkeit, so dass ich
Mit meiner Faust mich selbst schlage und mein Feind seine
Krallen in seinem Fleisch versenkt und ich vor Schmerzen
Schreie mit der Stimme meines Feindes, ungeahnte Möglichkeiten
Der Bewegung tun sich auf nach der Aufhebung oder Vergessen
Der Spielregeln, gleichzeitig von hinten und vorne angegriffen
Vom einzigen Feind verteidige ich mich, indem ich von beiden
Seiten, rechts und links gleichzeitig den Feind angreife oder mich,
Der Austausch der Körperflüssigkeiten durch die Aneinanderreibung
Unserer Wunden hebt die Unterschiede zwischen den Körperteilen
Und Körpern auf, die Zeit steht still, wie bei junger Liebe, die Schläge
Verwandeln sich in Umarmungen, die Schreie in Küsse, die Griffe
Nach der Kehle, die mich ersticken, werden zu Liebkosungen,
So ist Liebe wenn sie ernst getrieben wird,  jedes Bett ist ein
Schlachtfeld, zivile Opfer des Krieges die individuellen Ichs,
So stelle ich mir den Kampf vor, während ich die Finsternis
Durchschreite, selber Finsternis, bis die Vorstellung des Kampfes
Selber Kampf wird und mir Lust- und Schmerzensschreie bei
Jedem Schritt herauszwingt. Allmählich gewöhne ich mich an
Die Empfindungen meines Denkens und denke weiter, vielleicht
Hat der Kampf tatsächlich schon begonnen und ich bemerkte es
Nicht, da meine Augen und Ohren und Nase und Zunge nicht
Mehr außen und innen unterscheiden können seitdem ich im
Labyrinth bin, seit wann, der Verlust des Zeitgefühls ist ein
Beweis dafür, KEIN GEDANKE MEHR DAS WAR DIE
SCHLACHT, also ist die Suche nach dem Feind gleich dem
Kampf gegen ihn, vielleicht ist mein Feind das Schlachtfeld
Selbst und mein Vortasten durch die engen Gänge aus Plastik
Und Wellblech mein Angriff, vielleicht sind meine Sinne deshalb
Betäubt, weil ich im Kampf die Sinnesorgane verloren habe, das
Ist möglich, meine Weigerung zu sterben und die Lust des Kampfes,
Die jeglichen Schmerz großzügig ausgleicht, halten alleine meine
Hautfetzen zusammen. Doch wenn es so wäre, wenn ich wirklich
Schon den Feind getroffen hätte, warum spüre ich diese Einsamkeit,
Die sich über jede Empfindung und Bewegung legt schon seitdem
Ich ins Labyrinth eingetreten bin, eine Weile lang beschäftige ich mich
Mit diesem Rätsel, weiterschreitend oder -kämpfend selbstverständlich,
Bis ich begreife: Ich bin der Feind. Schon seit dem Beginn der Suche
Oder des Kampfes bin ich der Feind gewesen. Kurz blitzt die Hoffnung
Auf, der Held möge sich auch im Labyrinth befinden und trotz dem
Rollenwechsel könne die Suche oder der Kampf wie bisher weitergehen,
Aber ich weiß jetzt, es gibt keinen Held, es gab ihn vielleicht einmal
Und ich habe ihn schon besiegt und kein anderer wird kommen, mich
Aus dem Labyrinth zu erlösen, die Tribute, die mir versprochen wurden,
Werden nicht mehr geliefert, ich bin vergessen worden, die Welt, die
Mich einsperrte, ist vielleicht gestürzt schon, ich bin der letzte Ruin,
Versiegelt in meinem Haus als Denkmal meiner selbst, neue Monster
Erschrecken die Menschen da draußen, ich bin nur ein Bild, Mythologie.
Jetzt ist die Zeit mein unbesiegbarer Feind, mein Lauf ist ein Kampf
Gegen das Vergessen, die engen Gänge sind meine Gehirnwindungen,
Sie sind es immer gewesen, und ich schreite weiter geleitet vom Schmerz,
Erst links, dann rechts, an der Kreuzung geradeaus, dann links, links, links.