Notiz_40 - Zu wenig Trinkgeld gegeben
Du könntest hier wohnen. Irgendwann. In der
nahen Zukunft.
Vera vermisst Franken. Ich vermisse Franken auch. Der Herbst ist
hier schon angekommen, weiße Himmeln und starke Sonnen, grüne Teiche, braune
Felder. Die niedrigen Kirchtürme erheben sich faul.
Ich wüsste
nicht, warum ich hierher ziehen soll.
Du brauchst nicht immer einen Grund.
Doch. Ich schon.
Als Franken endet und Bayern anfängt, denke ich über
Vergangenheiten nach. Vera sitzt auf dem Gepäckträger des Zugabteils und schaut
zu mir herunter.
Hör auf.
Womit?
Hör auf, über sie nachzudenken.
Es ist so schwer, die Zukunft. Doch eine andere Möglichkeit ist
selten vorhanden.
Es gäbe noch so
viel, was wir uns zu sagen hätten.
Gibt es wirklich?
Vera erträgt meine Schwächen nicht. Und gerade bin ich schwach.
Meine Hüfte schmerzt, irgendein Muskel im Gelenk ist entzündet. Häufig trinke
ich abends, morgens stehe ich früh auf. Und ständig habe ich das Gefühl, das
etwas ganz wichtiges, ein Grundbestandteil des Lebens vergessen worden ist
während meiner Reisen.
Vielleicht habe
ich meine Ruhe in Budapest zurückgelassen.
Ich weiß sogar, wo.
Wo?
Im
Csendes. Das kleine Café auf dem Muzeum-körút, wo wir ein Bier getrunken haben
und du Angst hattest, nicht genug Geld dafür zu haben. Trotzdem hast du dann noch
ein weiteres bestellt. Das Geld hat gereicht, du hast aber zu wenig Trinkgeld
gegeben.
Ich muss wieder dahin. Sie hatten
gutes Internet.
Warum
sind wir zurückgekommen.
Pflichten. Lästige Pflichten.
Kein Leben haben sondern frei schweben über die Städte. Gedichte
schreiben. Warum schreibt man nicht mehr Gedichte. Die Zeit ist vorbei. Die
Zeit muss abgeschafft werden.
Wenn
du unsicher bist, sehnst du dich nach Gemütlichkeit. Aber diesmal ist keiner
bereit, sie dir zu geben.
Das große Feuer.
In
ihm brennt die Heimat.
Warum dann ist es mir so kalt.
Wegen
der Wintern hinter dir und des einen riesigen vor dir.
Es wird die Ruhe kommen.
Für
dich niemals.
Die Wahrheit tut manchmal ein bisschen sehr weh.