Notiz_16
Vera und ich sind heute nach Hannover gefahren, um einen
Notizblock zu besorgen. Wir haben eine Bibel gekauft. Vier Stunden später, als
wir schon in Hildesheim waren, bin ich zum Euro-Shop gegenüber meiner Wohnung
gegangen, während Vera draußen wartete und mit dem Schnee spielte. Dort habe
ich für drei Euro den Notizblock gekauft. Jetzt liegen wir beide müde auf der
Couch. Vera blättert in der Bibel. Ich habe Kopfweh.
Bist du zufrieden?
Was meinst du?
Mit dem Notizblock. Bist du zufrieden?
Weiß ich noch nicht.
Eigentlich brauchte ich bloß ein Notenheft mit mehr Abstand
zwischen den Linien. Leider konnte ich nichts desgleichen finden. Außerdem die
Formate gefielen mir nicht. Also habe ich nach einem liniierten Schulheft mit
weniger Abstand zwischen den Linien gesucht. Das erwies sich auch als
unauffindbar. Zumindest in Hannover. Jetzt bilde ich mir ein, dass das gekaufte
Heft passen würde. Aber sicher bin ich mir nicht. Mein Kopf tut weh.
Mein Kopf tut
weh.
Vera streckt die Hand nach mir ohne mich anzusehen, sie blättert
immer noch in der Bibel, obwohl ich nicht denke, dass sie tatsächlich liest.
Ihre kalte Hand berührt meine Stirn.
Besser?
Ja.
Du lügst.
Stimmt.
Warte. Jetzt.
Jetzt bin ich schläfrig.
Schlaf, dann wird es dir besser gehen.
Es wird Abend. Schneeflocken wirbeln hinter der Balkontür, aber
hinter dem Fenster ist das Himmel klar. Blau, Weiß und Altrosa. Heute ist das
Wetter komisch.
Interessant.
Wie?
Das Wetter. Interessant, nicht komisch.
Vera hält immer noch die Hand an meine Stirn. Ihr Kopf auf
meinem Schoß, die Haare in meinem Pullover verstrickt. Es wird Abend auf ihrem aufmerksamen
Gesicht, während sie das Wort des HERREN durchsucht.
Ha.
Gefunden. Ich habe mich schon in der Buchhandlung gefragt, warum diese Kopie
dreißig Cent weniger als die genau gleiche kostete. Schau.
Vera hält mir das offene Buch entgegen.
Bei Matthäus 5.5 und 5.6 sind diese Stellen
markiert! Mit Kugelschreiber!
Und was steht
da?
Vera muss sich anstrengen, um die Buchstaben zu erkennen, es ist
nämlich sehr dunkel geworden.
Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer
Vater im Himmel vollkommen ist.
Das ist schön.
Vera schließt das Buch, stellt es auf dem Boden.
Jetzt bin ich auch schläfrig.
Sollten wir ein bisschen schlafen?
Ja. Später tanzen wir dann.
Ja. Später tanzen wir.
Jetzt ist der Himmel nicht mehr klar und auch hinter dem Fenster
wirbeln die Schneeflocken. Ich nehme Veras Hand, die immer noch auf meine Stirn
ruht. Inzwischen ist sie nicht mehr so kalt. Das Kopfweh ist wirklich schwacher
geworden.