Notiz_35 - Langsam meine Wand hinunter



Wie geht es jetzt weiter?
Eine wetterlose weiße Landschaft und ich, ein richtungsloser Weg. In den Jahren der letzten Wochen konnte ich mich an die Leere noch nicht gewöhnen.
So geht es weiter. Sonne hinter geschlossenen Vorhängen. Du und ich sitzen am runden Tisch. Wir blicken einander in die Augen, so als würden wir uns zum letzten oder zum ersten Mal sehen.
In den Jahren der letzten Wochen konnte ich mich an die Hitze noch nicht gewöhnen. Zwei fette Meisen spazieren auf der Wiese. Seit Jahren frage ich mich, wie wohl der Winter hier aussehen wird.
            Ich spreche dann, ruhig, mit gedämpfter Stimme.
            Ich überlege, eine weitere Zigarette anzuzünden.
            Ich spreche weiter mit vielen langen Pausen.
            Ich horche. Die Stille tut mir gut.
Gelegentlich schaue ich mich um, als bräuchte ich mich zu vergewissern, dass ich mich jetzt hier befinde und nicht woanders.
Gelegentlich schaue ich mich um, denkend, was wohl hier noch fehlt.
Etwas fehlt.
Vera trägt ein langes, luftiges Kleid. Sie verträgt die Hitze erstaunlich gut. Lange Zeit hat sie gebadet. Jetzt duftet die ganze Wohnung nach ihr. Ihr schmutzigblondes Haar trocknet schnell, zusammen mit der Wäsche, die im Zimmer hängt. Ich hoffe, der Geruch wird bleiben. Ich mag ihren Geruch.
Ein kleines Stück Schönheit. Eine ruhige Überraschung. Ein Wort, der Zukunft sagt. Ich hoffe, ich hoffe noch, selbst wenn ich nicht weiß, was ich zu hoffen hätte. Ich vergesse meine Träume allzu oft.
Der Himmel ist weiß geworden. Ich zünde eine weitere Zigarette an.
            Kleine Kunst. Lange Pause.
Ich rauche auf und öffne die Tür zum Balkon.
            Es wird regnen. Das macht mich glücklich.
Die Mückenstiche brennen auf meiner Haut. Ich versuche, sie zu ignorieren. Meistens klappt es.
            Dieser Samstag sieht aus wie einen Sonntag.
Ich verliebe mich gerne. Da habe ich wenigstens was zu tun.
            Das stimmt. Ein langgezogener Tag, an dem niemals Abend wird.
            Die Bäume rascheln. Sie begrüßen das Gewitter, das sich verspätet.
Vera und ich vergessen manchmal, wie wir uns berühren sollen. Daran muss ich denken, während ich überlege, ob ich ihre Hand halten soll, die langsam auf dem Tisch tanzt. Eine schmale, blasse Hand. Eine schöne Hand.
            Wenn du nichts zu sagen hast, dann wirst du unerträglich lyrisch.
Eigentlich wollte ich ans Meer fahren. Heute ist wahrscheinlich der letzte Tag, an dem es gegangen wäre. Die nächsten Wochenenden sind voller Pläne und Veranstaltungen. Ich habe das Bedürfnis, mich in dieser Leere einzunisten, bis irgendwas entsteht.
Die kleinsten Dinge werden riesig. Ich spüre, wie sie unter deinem Blick wachsen. Überall liegen deine Haare.
Ich lächele. Ich muss an meinen kleinen blonden Kater denken, der Feri heißt, kurz für Franz Josef. Er hat mich vorgestern besucht, den ganzen Tag blieb er bei mir. Vera lächelt mit.
            Jahren sind vergangen in den letzten Wochen.
Die Donau fließt langsam meine Wand hinunter. Das beruhigt mich. Immer.